004 (1891): Men Boxing, entstanden und aufgeführt 1891 in Amerika, Regie: William K. L. Dickson, William Heise

Die beiden Williams sind immer noch big im Business und bleiben es auch noch ein paar Jährchen. Sechs, vermutlich sogar alle sieben Filme des Jahres 1891[1] stammen von den beiden von Edison getriebenen Workoholics. In Men Boxing – dem interessantesten dieser Machwerke – stehen sich zwei Edison-Arbeiter (unschwer erkennbar an ihrer Bürokleidung) in einem Boxring (als solcher oscarreif markiert mit einem vor die Szene gespannten Seil) gegenüber. Beide sind natürlich mit entsprechenden Handschuhen ausgestattet, was allerdings unnötig ist, denn gehauen wird ja gar nicht. Der linke hebt lediglich seine Fäuste und mimt Kampfbereitschaft, während der rechte sich von Beginn an ohne Deckung in einem umgekehrten Ausfallschritt nach hinten biegt. Ich behaupte mit Fug und Recht (ob meines bis zum Entstehungsdatum vollständigen Filmwissens): „Dies ist der erste Sportfilm!“ Allerdings womöglich auch die erste Mockumentary oder aber ein Lustspiel, denn man könnte darin unschwer erkennen, dass alles gestaged ist. Die Rollen werden laienhaft vorgetragen und das Spiel beider Protagonisten ist durchsetzt mit ironischer Distanz. Oder eben nicht und alles ist lustige Absicht. Ich persönlich halte es für ein Lustspiel, für eine hintergründige und antizipatorische Satire aufs Filmgeschäft. Ich glaube auch, dass der offene Schlagabtausch, den ausgerechnet der rechte Boxer anbietet, eine politische Bedeutung haben könnte…und dass die Erde eckig ist. Qualitativ zeigt das Ergebnis des zwischenzeitlich in den Edison-Labors weiterentwickelten Kinetographen erhebliche Fortschritte[2]. Auch inhaltlich, denn obwohl praktisch alle Filme nur als Testfilme gedacht waren[3], wirkten sie, wie erwähnt, mitunter schon irgendwie inszeniert. So als hätte man im Sinn gehabt, ein Publikum damit anzusprechen. Das fällt bei Men Boxing auf, noch viel mehr allerdings bei dem im gleichen Jahr entstandenen Dickson Greeting, in dem sich Dickson, immerhin Edisons Chef-Ingenieur und Konstrukteur des Kinetographen[2], sozusagen dem Publikum vorstellt und den Hut zieht. Weltklasse! Die Filme wurden schließlich tatsächlich Besuchern der Edison-Werke vorgeführt, Men Boxing in einer Fünfsekundenversion und, auch das ist eine Pioniertat, mehrfach hintereinander als 22-sekündiger Loop[4].

Googeln Sie „Men Boxing 1891“ und geben Sie sich den Fight, googeln Sie „Dickson Greeting“ und checken Sie den coolen Styler. Oder finden Sie beides auf  Edison: Invention of the Movies (siehe Kapitel 003). Wenn Sie ungeachtet dessen so richtig was her machen wollen und auch den abgebrühtesten Professoren für Filmgeschichte ein „Wow!!!“ entziehen wollen, dann, ja dann besorgen Sie sich bei Heeza.fr das Daumenkino Men Boxing – Dickson Greeting. Die beiden Williams filmten 1894 übrigens auch den ersten echten Boxkampf (Leonard-Cushing Fight, googeln Sie genau das – auf DVD oder sonstwas gibt es keine offizielle Veröffentlichung), da sieht man wie’s richtig geht. Gefilmte Boxer und Filme über Boxende waren es letztlich auch, die sich allergrößter Beliebtheit erfreuten und mit denen Edison filmisch den meisten Profit einfuhr[5].


[1] IMDb.com Inc. (1990-2011f). The Internet Movie Database: 1891. Abgerufen am 10. Februar 2011 von http://www.imdb.com/year/1891

[2] Musser, C. (1995). Thomas A. Edison and His Kinetographic Motion Pictures. New Jersey: Rutgers University Press.

[3] Dickson, W. K., & Dickson, A. (1894). The Life And Inventions Of Thomas Alva Edison. London: Chatto & Windus.

[4] Musser, C. (1997). Edison Motion Pictures, 1890-1900: an Annotated Filmography. Washington D. C.: Smithsonian Institution Press.

[5] Mathews, N. M. (2005). Moving Pictures: American Art and Early Film, 1880-1910. Manchester: Hudson Hills Press.

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