002 (1889): Leisurely Pedestrians, Open Topped Buses and Hansom Cabs with Trotting Horses, entstanden 1889 in England, keine öffentliche Aufführung, Regie: William Friese-Greene

William Friese-Greene, britischer Fotograph und einer der erwähnten Erfinder-Konkurrenten von unserem Franzos (siehe Kapitel 001), war es, der den einzigen bekannten Film des Jahres 1889[1] sein Machwerk nennen darf. Er bekam das Patent für seine Filmkamera 1889, der fragile Kasten schaffte allerdings nur vier bis fünf Bilder pro Sekunde, immerhin schon auf Eastman‘s Zelluloid[2], zu wenige aber, um eine echte Bewegung zu suggerieren[3]. Stets bezeichnete er sich selbst als Erfinder der Cinematographie. Er war es nicht und er wusste es[4], überhaupt wird der ganze Mythos von so manchen unkritischen Autoren bis heute aufrecht erhalten[5] – womit wir mittlerweile bei drei Personen wären, die angeblich das Kino, respektive die Filmkamera, erfunden haben (siehe hierzu Kapitel 001). Nachdem der vermeintliche Pionier jedenfalls mit seiner Kamera scheiterte, hatte er sich finanziell ein wenig überhoben und landete kurzzeitig sogar im Kittchen[6]. Zur Schuldentilgung verkaufte er sein Patent, bastelte aber bereits in den 1890er Jahren weiter, diesmal an stereoskopischen Bildern und ersten Farbillusionen. Sein Tod war irgendwie bezeichnend: Auf einer Veranstaltung der Film- und Kinoindustrie in London brach er 1921 während eines von ihm selbst (ungefragt) gehaltenen Vortrags zur maroden Lage des britischen Films zusammen und starb[6].  Glaubt man einer Szene aus John Boulting‘s The Magic Box – einem durchaus sehenswerten Biopic über Willie (wie ihn seine Freunde nannten) – kannte ihn dort niemand, auch wurde er demnach zu seinen Lebzeiten bezüglich der Entstehung des Kinos nicht in einer Enzyklopädie erwähnt.Vielleicht nicht zuletzt deshalb ließ man ihm zumindest auf dem Grabstein seinen Willen, wo es heißt: „THE GRAVE OF WILLIAM FRIESE GREENE – THE INVENTOR OF KINEMATOGRAPHY.[7]

Der Film ist vorerst nicht zu sichten, aber es existieren sieben Einzelbilder[8], die allerdings derzeit für Sie, liebe Leserschaft, nicht über das Internet zugänglich sind. Stellen Sie sich das Ganze in etwa so vor: Flanierende Passanten, oben offene Busse und Pferdekutschen ziehen an einem schönen Sonntagvormittag vor dem Apley Gate des Hyde Park in London vorbei. Ziemlich kurz, wenn auch länger als alle Filme zuvor (vermutlich knapp unter einer Minute) und seeeeehr ruckelig. The Magic Box (erschienen bei Optimum Home Entertainment), kann man via Amazon.co.uk auf DVD ordern – darauf können Sie sich auch ein aufpoliertes Remake des Originals anschauen.


[1] IMDb.com Inc. (1990-2011c). The Internet Movie Database: 1889. Abgerufen am 10. Februar 2011 von http://www.imdb.com/year/1889

[2] Carpenter, P., & Herbert, S. (1996). William Friese Greene (1855-1921). In S. Herbert, & L. McKernan, Who’s Who of Victorian Cinema: A Worldwide Survey (Centenary of Cinema). London: BFI Publishing.

[3] Kaufman, L. (1974). Sight and Mind: An Introduction to Visual Perception. New York: Oxford University Press Inc.

[4] Coe, B. (1969). William Friese Greene and the Origins of Kinematography. Screen, 10 (2), S. 4.

[5] McKernan, L. (Oktober 2003). BFI Screenonline: Friese-Greene, William (1855-1921). Abgerufen am 29. Januar 2011 von http://www.screenonline.org.uk/people/id/508948/

[6] Allister, R. (1948). Friese-Greene: Close-up of an Inventor. London: Marsland Publications.

[7] Brown, M. (02. Januar 2005). Flickr – William Friese Greene grave – Highgate cemetery. Abgerufen am 24. Februar 2011 von http://www.flickr.com/photos/57868312@N00/2130899935

[8] deMar, G. (August 2004). American Vision: Science goes to the movies. Abgerufen am 30. April 2009 von http://www.americanvision.org/bwarchive/Science+to+the+Movies+ 8-04.pdf

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